Privilegiert ist man dann, wenn man glaubt, ein Problem gäbe es nicht, nur weil es einen selbst nicht betrifft.

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Privilegiert ist man dann, wenn man glaubt, ein Problem gäbe es nicht, nur weil es einen selbst nicht betrifft.

This is dedicated to my sister Traci.

Die Überschrift meines heutigen Artikels habe ich mir vom Plakat eines US-amerikanischen Demonstranten geklaut, dessen Foto ich im Stern gesehen habe. Sein Statement hat mich nicht mehr losgelassen.

Als ich vor wenigen Wochen meinen Blog gestartet habe, habe ich mir fest vorgenommen, über zwei Dinge niemals zu schreiben: erstens über Politik, zweitens über Corona. Ersteres vor allem deshalb, weil Politik für mein persönliches Empfinden so oft dermaßen unklar ist, dass sie per se nicht so richtig gut in meinen Blog passt. Zweiteres, weil ich gucken wollte, ob das überhaupt geht.

Jetzt passieren allerdings gerade so viele unfassbare Dinge gleichzeitig, dass ich mich kaum noch beherrschen kann. Ich habe mich heute tatsächlich gefragt:

Kann ich gerade ernsthaft einen Artikel schreiben und dabei den ganzen Kram einfach ausblenden?

Ich habe es wirklich versucht, aber es will mir nicht gelingen. Zu schockiert bin ich. Ich hoffe, Ihr verzeiht mir, wenn ich heute also meinen eigenen Vorsatz breche, was die Politik betrifft. Dafür mache ich es kurz, ich habe nämlich Urlaub und nehme den ziemlich ernst. Deshalb wird es heute nur ein kleiner Artikel. Wahrscheinlich.

Vielleicht denkt Ihr jetzt, dass es hauptsächlich Donald Trump sein wird, der mich so fassungslos macht. Na klar, auch. Aber: Er bleibt sich ja im Grunde nur treu und zieht sein Ding durch. Auf eine unerträglich perverse Art ist er einer der klarsten Menschen, die es in der Öffentlichkeit so gibt. Unklarheit gehört zu den wenigen Dingen, die ich ihm nicht vorwerfen kann. Allerdings ist seine Form der Klarheit eine egozentrische, verletzende, ausgrenzende, rassistische, frauenfeindliche, selbstgerechte, machtmissbrauchende, „totale“ Klarheit, die mich in immer kürzeren Abständen laut ausrufen lässt: „Das kann er doch nicht wirklich so meinen!“ Doch, er kann.

Aber wie gesagt, es geht gar nicht so sehr um ihn. Er ist für mich nur eine Figur, ein Symbol. Eigentlich bräuchte er ein eigenes Muppet. Gibt es vielleicht sogar schon. Ich muss ihn mir bewusst ein bisschen lächerlich gestalten, damit ich überhaupt ertragen kann, dass es Menschen wie ihn gibt und ich irgendwie also auch mit ihm verbunden bin. Alternativ bleibt mir nur die Angst – und die will ich momentan noch nicht zulassen. Dazu kommt für mich persönlich erschwerend, dass auch er in meiner konstruktivistischen und systemischen Welt so handelt, wie es aus seiner (!) Sicht sinnvoll ist. Das ist harter Tobak, wenn man es ernst meint mit dem Konstruktivismus. Knacke ich täglich dran.

Tatsächlich geht es mir um das uralte Muster, das Trump wunderbar plakativ macht: Wir fühlen uns machtlos, angegriffen, als Opfer, wir brauchen einen Schuldigen, wir finden unseren vermeintlichen Antagonisten und wandeln unser eigenes Unvermögen und unsere Angst um in irgendeine Form von Gewalt, um nicht mehr selbst Opfer zu sein. Das gibt uns das Gefühl von Macht und Kontrolle zurück.

Für mich ist wie immer nicht entscheidend, ob uns das passiert. Für mich ist entscheidend, ob wir es bemerken. Und dann darüber nachdenken. Um dann beim nächsten Mal vielleicht anders zu entscheiden. Das ist das, was ein starker Leader tun würde. Ob er nun ein Land oder Mitarbeiter führt. Oder keins von beidem.

Nächste Woche schreibe ich wahrscheinlich darüber, was Klarheit mit Verletzlichkeit zu tun hat. Das wird dann wieder gänzlich unpolitisch. Versprochen.

Bis Freitag! Bleibt klar.

Eure Saskia

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