To read this article in English, please scroll down. Als ich den heutigen Titelsatz zum ersten Mal gehört habe, musste ich ziemlich daran knapsen. Bis dato hatte ich internalisiert, dass Veränderung grundsätzlich eine gute Sache ist, da sie doch Bewegung und Entwicklung verspricht. Ohne Wenn und Aber. Charles Darwin hebt empört die Augenbrauen und zeigt mir einen Vogel. Wenn man nämlich etwas genauer hinschaut, ist diese Pauschalisierung (so wie jede andere auch) ziemlich großer Quatsch. Allein eben aus evolutionärer Sicht hätte mir klar sein können, dass Veränderung selbstverständlich immer nur dann gut sein kann, wenn ein echter Vorteil daraus entsteht. Das Gehirn, der Meister des Energiesparens, fragt bei angedrohter Veränderung stets und ständig: „Was hab‘ ich davon?“
Dabei geht es eindeutig nicht um den Vorteil für die Allgemeinheit, den Vorteil für „die Anderen“, sondern den Vorteil für das Individuum, das sich verändern soll oder vielleicht sogar will. Dass es sehr häufig Vorteile für andere hat, wenn wir uns verändern, wenn also die Veränderung von außen induziert wird, ist unbestritten. Gemeint ist hier allerdings die gänzlich ego-zentrierte Sicht: Für mich (ergo mein Gehirn) ist Veränderung nur gut, wenn sie sich lohnt. Es ist recht simpel: Immer wenn mein Gehirn einen tieferen Sinn hinter dem Veränderungsanliegen erkennen kann, gelingt die Veränderung. Wenn nicht, dann nicht. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Anliegen von innen kommt, also von mir selbst, oder von außen. Der Sinn ist hierbei für mich gleichbedeutend mit der Bedürfnisbefriedigung. Dazu gleich mehr.
Das Gegenteil von Achtsamkeit ist der Autopilot
Falls Du Dich dunkel an die Fahrschule erinnerst: Da war mir am Anfang jeder einzelne Schritt sehr bewusst. Kupplung treten, ersten Gang einlegen, kommen lassen, abwürgen, nochmal von vorne. Und heute? Vielleicht kennst Du das auch: Du steigst ins Auto und bist plötzlich am Ziel. Wie oft Du an roten Ampeln gestanden hast, wie viele Radfahrer Du fast überfahren hättest – keine Ahnung. Ich selbst fahre zwar kaum noch Auto (wir haben seit fast zwei Jahren kein eigenes mehr), und dennoch passiert es mir sogar ab und zu, dass ich eigentlich zur Bandprobe fahren will und stattdessen den Weg zum Box-Gym einschlage, weil ich den einfach öfter nehme als den anderen. Das ist das Gegenteil von Achtsamkeit und nennt sich Autopilot. Der ist häufig super nützlich, aber wie so oft kommt es auf den Kontext an.
Wenn ich die Erkenntnisse der Neurowissenschaft richtig verstehe, gilt – stark vereinfacht dargestellt – Folgendes: Wenn ich oft genug eine bestimmte „Neuro-Autobahn“ entlangfahre, kann ich irgendwann auf Autopilot schalten. Der Autopilot ist für unser Gehirn am angenehmsten, denn so spart es besagte Energie. Das Gehirn greift demnach viel lieber auf bekannte Muster zurück als auf neue. Deshalb fällt es uns oft so verdammt schwer, ein im wahrsten Sinne des Worte eingefahrenes Verhalten zu verändern.
Die gute Nachricht: Ich habe jederzeit die Möglichkeit, meinem Gehirn neue Strecken (=Verhaltens-Muster) beizubringen, und dazu muss ich noch nicht mal von meinem Stuhl aufstehen. Das geht nämlich auch mithilfe der reinen Vorstellungskraft, da dem Gehirn erstmal Wurscht ist, ob wir etwas tatsächlich tun oder es nur denken. Wenn das Gehirn also „denkt“, ein Muster sei gar nicht neu, sondern bekannt, erhöhe ich die Wahrscheinlichkeit, dass ich mein volles Potential entfalte und im entscheidenden Moment auf die neue „Autobahn“ zugreifen kann.
Bedürfnisse als Verbindung zwischen Verstand und Herz
Das ist im übrigen auch der Grund dafür, warum es nicht reicht, neue Verhaltensweisen rein kognitiv, also über die Großhirnrinde, zu trainieren. Es braucht die Verknüpfung zum limbischen System, in dem unter anderem unsere Gefühle sitzen. Durch die Veränderung, das neue Verhalten, muss ein tieferliegendes Bedürfnis angesprochen werden, ansonsten fallen wir immer wieder ins alte Muster zurück. Diese Bedürfnisbefriedigung ist gewissermaßen der Sinn, der in meiner Definition unseren Verstand mit unserem Herzen verbindet. Ohne diesen Sinn lohnt sich die Veränderung nicht für unser Gehirn. Wir können gar nichts dafür.
Wenn Du Dich also zum Beispiel fragst, warum Du nicht mit dem Rauchen aufhören kannst, obwohl Dein kluges Primatengehirn (Hirnrinde) doch genau weiß, wie ungesund das ist, kennst Du jetzt den Grund. Deshalb funktionieren auch die abstoßenden Bildchen auf den Zigarettenschachteln nicht. Die sprechen sozusagen das „falsche“ Hirnareal an. Angenommen, Du könntest vielleicht jetzt ein Bedürfnis entdecken, das hinter dem Verhalten (=Rauchen) steckt, das Du anders befriedigen könntest als mit Gift. Welches könnte das sein? Zugehörigkeit? Entspannung? Oder etwas ganz anderes? Das gleiche Spiel kannst Du mit allen Klassikern der Neujahrs-Vorsätze durchgehen: mehr Sport, weniger Süßigkeiten und so weiter und so fort. Vielleicht lässt sich so sogar teilweise auch beantworten, weshalb manche Leute ohne Schwierigkeiten eine Maske tragen und andere nicht. Um aber auch noch ein positives Beispiel zu nennen: Aus welchem Grund, glaubst Du, entwickelt ein deutscher Teenager mit großer Hingabe plötzlichen und historisch unerwarteten Lerneifer für die Muttersprache des niedlichen französischen Austauschschülers? Mit der passenden Motivation, also der passenden Bedürfnisansprache dahinter, geht so gut wie alles. Es lohnt sich also, dahinter zu blicken, um unserem Gehirn etwas anzubieten, das seine berechtigte Frage „Warum zur Hölle soll ich da mitmachen?“ beantwortet.
Für Dich als Führungskraft und die Begleitung von Veränderungen im Unternehmenskontext bedeutet das, dass Du für jeden Einzelnen eine Antwort auf die Frage „Was hab‘ ich davon?“ finden musst. Klingt mühsam? Vielleicht. Die Alternative ist allerdings, dass Du es machst wie alle anderen, deren Change Management früher oder später scheitert. Und das klingt viel mühsamer, wenn Du mich fragst.
Bis nächsten Freitag! Bleib klar.
Deine Saskia
Change is only good if it is worthwhile
When I heard today’s title sentence for the first time, I had to think on it. Up to now I had internalized that change is always a good thing because it promises both movement and development. No ifs and buts. Charles Darwin raises his eyebrows indignantly and gives me the finger. If you take a closer look, this generalization (like any other) is pretty big nonsense. From an evolutionary point of view alone, it should have been clear to me that change can of course only be good if it results in a real benefit. The brain, the master of energy saving, asks over and over when threatened with change: „What’s in it for me?“
It is clearly not about the benefit for the general public, the benefit for „the others“, but the benefit for the individual who is supposed to or perhaps even wants to change. It is undisputed that it is very often advantageous for others when we change, i.e. when the change is induced from outside. What is meant here, however, is the completely ego-centered view: For me (ergo my brain) change is only good if it is worthwhile. It’s pretty simple: whenever my brain can recognize a deeper meaning behind the change request, the change succeeds. If not, then it doesn’t. It doesn’t matter whether the request comes from within, i.e. from myself, or from the outside. For me, the meaning is synonymous with the satisfaction of needs. More on that in a moment.
The opposite of mindfulness is autopilot
If you remember vaguely driver’s ed: At the beginning I was very aware of every single step. Depress the clutch (that’s how we do it in Germany, at least we did more than 20 years ago when I learned how to drive), engage first gear, let it come, kill the engine, start from the beginning. And today? Perhaps you know the feeling: You get into the car and suddenly you have arrived at your destination. How often you had to stop at a red light, how many cyclists you almost ran over – who knows? I rarely drive a car myself anymore (we haven’t had our own for almost two years now), and yet it happens to me from time to time that I actually want to go to band practice and instead take the route to my boxing gym, because I simply go there more often. This is the opposite of mindfulness and is called autopilot. It’s sometimes super useful, but as is often the case, context matters.
If I understand the findings of neuroscience correctly, the following applies – to put it in a very simplified way: If I drive along a certain “neuro-highway” often enough, I can switch to autopilot at some point. The autopilot is the most comfortable for our brain, because it saves said energy. The brain would much rather fall back on familiar patterns than on new ones. That is why it is often so damn difficult for us to change behavior that has been part of our portfolio for a long time.
The good news: I always have the opportunity to teach my brain new stretches (=behavioral patterns) – and I don’t even have to get up from my chair. This is also possible with the help of pure imagination, because the brain does not care whether we actually do something or just think it. So if the brain “thinks” that a pattern is not new, but rather known, I increase the probability that I will develop my full potential and access the new “highway” at the crucial moment.
Needs as a link between mind and heart
This is also the reason why it is not enough to train new behaviors purely cognitively, i.e. via the cerebral cortex. The behavior needs to be linked to the limbic system, in which, among other things, our feelings sit. The change, the new behavior, has to address a deeper need, otherwise we will always fall back into the old pattern. This satisfaction of needs is, so to speak, the meaning that, in my definition, connects our mind to our heart. Without this meaning, change is not worthwhile for our brain. We can’t help it.
So in case you’re wondering, for example, why you can’t quit smoking even though your clever primate brain (cortex) knows exactly how unhealthy it is, now you know why. This is why the repulsive pictures on the cigarette packs don’t work either. They address the “wrong” brain area, so to speak. Assume that you might now discover a need behind the behavior (= smoking) that you could satisfy differently than with poison. Which could it be? Affiliation? Relaxation? Or something else entirely? You can do the same with all the classics of New Year’s resolutions: more exercise, less candy, and so on and so forth. Perhaps this can even partially answer the question why some people wear a mask without difficulty and others don’t. But to give at least one positive example: For what reason do you think an American teenager develops a sudden and historically unexpected eagerness to learn the mother tongue of the cute French exchange student? You see, with the right motivation, i.e. the appropriate addressing of needs behind it, almost anything goes. So it’s worth looking behind it to offer our brain something that answers its legitimate question „Why the hell should I go along with this?“.
For you as a leader and the accompaniment of change in the corporate context, this means that you have to find an answer to the question “What do I get out of it?” – for each individual. Sounds exhausting? Perhaps. The alternative, however, is that you do it like everyone else whose change management sooner or later fails. And that sounds a lot more exhausting if you ask me.
Until next Friday! Stay clear.
Yours, Saskia