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Mythos Nr. 1: Klare Kommunikation ist unfreundlich.
Wenn Du unter „freundlicher Kommunikation“ verstehst, dass Du für Dein Gegenüber möglichst komfortabel und mit so wenig wahrgenommenem Handlungsbedarf wie möglich kommunzieren möchtest, gebe ich Dir recht. Ich habe allerdings den Verdacht, dass das nicht immer in Deinem Sinne ist.
Es ist ein Paradoxon: Auf der einen Seite erlebe ich eine große Sehnsucht nach Klarheit bei meinen Klienten (und im Grunde allen Menschen, mit denen ich mich länger als zehn Minuten und nicht nur übers Wetter unterhalte). Nicht zuletzt deshalb kommen sie ja zu mir. Auf der anderen Seite scheint das Gefühl, dass Klarheit gleichzeitig und immer auch Unfreundlichkeit in der Kommunikation bedeutet, ein echtes Hindernis für viele zu sein.
Kein Wunder also, dass viele Menschen gute Gründe dafür finden, lieber weiter unklar zu kommunzieren. Vielleicht haben sie tatsächlich auch hier und da die Erfahrung gemacht, dass ihre „zu klare“ (also eindeutige) Kommunikation nicht so gut ankam.
Meine These ist, dass wir das schon im Kindesalter erleben können, nämlich dann, wenn wir mit allem, was wir haben, kommunzieren, dass (uns) etwas nicht passt. Dieses klare Verhalten, das sich auf allen Ebenen der Kommunikation abspielt (verbal, vokal, nonverbal – dazu später mehr) und hinter dem sich nicht mehr und nicht weniger als ein unerfülltes Bedürfnis verbirgt, wurde und wird bis heute von vielen Erwachsenen entweder ignoriert oder bestraft. Und noch eine These: Bei Mädchen noch stärker als bei Jungs. Ich weiß, gewagt, und ich habe auch keine Beweise. Es ist lediglich ein Erklärungsansatz, der für mich Sinn ergibt.
Ich vermute, dass ich deshalb noch öfter von Frauen als von Männern die Sorge höre, dass eine klare Kommunikation vom Gegenüber als Unfreundlichkeit aufgefasst werden könnte. Und Mädchen sind nun mal freundlich und hauen nicht, das weiß doch jede*r.
Ich will jetzt gar nicht den Freud raushängen lassen. Weder bin ich Psychologin, noch habe ich zu dem Thema geforscht. Gleichzeitig sagen mir mein Verstand und meine tägliche Erfahrung, dass es einen Zusammenhang geben könnte. Die so genannte Wahrheit ist vermutlich deutlich komplexer. Und wie so oft entscheidet der Kontext.
Das Verrückte ist, dass die unklare, verschleierte, um-den-heißen-Brei-Kommunikation tatsächlich zunächst (!) besser ankommt beim Gegenüber. Das ist aber nur ein Kurzfrist-Effekt. Na klar, erstmal finde ich es besser, wenn Du mich mit Deinen Bedürfnissen nicht so direkt konfrontierst, damit ich möglichst viel Interpretationsspielraum habe. Das nagelt mich weniger fest. Ich entscheide, was ich verstehen will. (Das ist im Übrigen immer so. Und: Je klarer ich sende, desto größer die Chance, dass meine Botschaft ungefähr so ankommt wie von mir gewünscht.) Bei der/dem Sendenden führt das zwangsläufig dazu, dass sie/er zwar als angenehme*r Gesprächspartner*in empfunden wird. Doch heißt „angenehm“ hier, dass es für mich als Empfänger*in der Botschaft keinen Handlungsbedarf gibt.
Sobald ich mir allerdings Orientierung wünsche (Orientierung = Sicherheit), gilt das nicht mehr. Das hat jede*r schon mal erlebt, die/der sich im Job gefragt hat, was „die da oben“ eigentlich wollen.
Wenn Du also langfristig handeln willst, wenn Du Dir wünschst, nicht alles 20 Mal sagen zu müssen, dann macht es vielleicht Sinn, durch den heißen Brei durch zu kommunizieren statt drumherum. Die gute Nachricht: Dafür brauchst Du nicht zur Maschine zu werden. Es geht nicht darum, einen Schalter umzulegen. An oder aus. Es geht darum, im entscheidenden Moment klar zu sein. Es gibt einen Dimmer. Versprochen.
Mythos Nr. 2: Klare Kommunikation können nur Männer.
Das ist jetzt nichts, was ich jemals von einem Mann gehört hätte. Diesen (Glaubens-)Satz höre ich ausschließlich von Frauen.
Meine Erfahrung ist anders. Ja, ich sehe auch, dass es in unserer Gesellschaft Männern oft leichter gemacht wird als Frauen, klar zu kommunzieren. Das habe ich ja oben im Zusammenhang mit Kindern bereits kurz beschrieben. Gleichzeitig erlebe ich immer wieder Männer in meinen Kommunikationscoachings, deren größtes Hindernis sie selbst sind. Und da ist es egal, ob es ums Verkaufen geht, also um Kundengespräche, um die Kommunikation mit den Kolleg*innen im Team oder um Führung.
Es ist auch bei diesen Männern immer wieder die unklare Kommunikation, die zu Schwierigkeiten führt. Da gibt es verschiedene Varianten: Mal ist es die Salamitaktik, bei der scheibchenweise preisgegeben wird, worum es geht. Mal wird aus persönlicher Unsicherheit heraus in zig Schleifen argumentiert und erklärt, bis der/die Andere vor Erschöpfung aufgibt. Mal werden in Verhandlungen Informationen zurückgehalten, weil das vermeintlich die Verhandlungsmasse stärkt.
Ein interessanter Unterschied zwischen Männern und Frauen, den ich beobachte, ist der, dass Männer oft denken, dass sie bereits sehr klar kommunizieren. Das liegt meines Erachtens daran, dass sie Argumentationsreichtum mit Klarheit verwechseln. Frauen wissen oft bereits, dass sie nicht klar genug sind. Und haben dann aufgrund der diversen hinderlichen Glaubenssätze zum Thema klare Kommunikation und aufgrund der über lange Zeit eingeübten Verhaltensmuster verständlicherweise Schwierigkeiten, das zu ändern. Das Ergebnis ist in beiden Fällen dasselbe: Die jeweiligen Gesprächspartner*innen verstehen die Botschaft nicht.
Nur so zum Spaß: Stell Dir mal bitte kurz eine Nachrichtensprecherin vor, die nicht klar kommuniziert. Die um den heißen Brei herumredet und die ganze Zeit lächelt. Das wäre sehr irritierend, oder? Der Kontext entscheidet. Wenn sie dann die Lottozahlen ankündigt, kann sie kurz wieder lächeln. (Auch wenn ich persönlich diesen Moment immer etwas irre finde.)
Mythos Nr. 3: Klare Kommunikation ist total schwierig.
Schwierig? Nein. Komplex? Definitiv. Alle Ebenen der Kommunikation müssen passen: die verbale, die vokale, die nonverbale. Die verbale Ebene betrifft den reinen Inhalt der Botschaft. Also: Was wird gesagt? Die vokale Ebene ist diejenige, die u.a. über Tonalität, Sprechtempo, Rhythmus und Pausen entscheidet, unabhängig vom Inhalt. Also: Wie wird es gesagt? Die Bedeutung der nonverbalen Ebene, also der Körpersprache, wird oft unterschätzt. Und die ist übrigens auch bei virtuellen Gesprächen wichtig, auch wenn wir nur einen reduzierten Teil wahrnehmen können. Die Körperhaltung beeinflusst außerdem die Stimme und die Atmung, also die vokale Ebene. Die Körpersprache kann Geheimwaffe oder Kryptonit sein: Entweder unterstützt und stärkt sie durch Kongruenz unsere verbale Botschaft – oder sie macht sie zunichte, wenn eben diese Übereinstimmung fehlt. Einfach ausgedrückt: Je kongruenter verbale, vokale und nonverbale Ebene sind, desto klarer ist unsere Botschaft für andere. Also: Wie gut passt alles zusammen?
Nur klar auf der verbalen Ebene zu sein ist demnach zu wenig. Oft konzentrieren wir uns trotzdem sehr stark auf die inhaltliche Ebene. Jedenfalls dann, wenn wir gerade senden. Als Empfänger*in sind uns plötzlich auch die anderen beiden Ebenen sehr wichtig. Und da stets die/der Empfänger*in entscheidet, was ankommt, macht es Sinn, dass Du als Sender*in so viel wie möglich für die Kongruenz tust. Also eigentlich sogar einfacher als die gewohnte, vermeintlich „freundliche“ Kommunikation, sofern Du zielgerichtet genau wie ich einfacher findest als 28 Schleifen.
Für mich steht und fällt alles damit, wie klar ich mir über meine Ziele bin, bevor ich überhaupt in die Kommunikation nach außen einsteige:
- Worum geht es mir eigentlich wirklich?
- Was sind meine (maximal 3) Kernbotschaften?
- Was will ich erreichen?
Weil genau das meiner Erfahrung nach der erste Schritt zu einer gelungenen, klaren Kommunikation ist, bereite ich gerade ein kleines „Bootcamp“ zum Thema Zielsetzung vor. Vielleicht ist das ja spannend für Dich?
Bis nächsten Freitag! Bleib klar.
Deine Saskia
Myth #1: Clear Communication is unfriendly.
If by „friendly communication“ you mean that you want to communicate as comfortably as possible for your counterpart and with as little need for action as possible, then I agree. However, I suspect that this is not always what you want.
It’s a paradox: On the one hand, I experience a great longing for clarity in my clients (and basically all people with whom I talk for more than ten minutes and not just about the weather). After all, that is why they come to me. On the other hand, the feeling that clarity means at the same time and always unfriendliness seems to be a real obstacle for many.
So it’s no wonder that many people find good reasons to keep communicating unclearly. Perhaps they have actually made the experience here and there that their „too clear“ (ie unambiguous) communication was not so well received.
My thesis is that we can already experience this in childhood, namely when we communicate with everything we have that something is not okay for us. This clear behavior, which takes place on all levels of communication (verbal, vocal, non-verbal – more on that later) and behind which there is nothing more and nothing less than an unfulfilled need, was and is still either ignored or punished by many adults . And one more thesis: even more so with girls than with boys. I know, daring, and I have no evidence either. It’s just an explanatory approach that makes sense to me.
I suspect that this is why I hear more often from women than from men that clear communication could be perceived as unfriendliness by the other person. And girls are friendly and don’t hit, everyone knows that.
I don’t want to get all Freudian on you now. I am neither a psychologist nor have I done any research on the subject. At the same time, my mind and my daily experience tell me that there might be a connection. The so-called truth is probably much more complex. And as so often, the context is decisive.
The crazy thing is that the unclear, veiled, around-the-bush communication really is initially (!) better received by the other person. But this is only a short-term effect. Naturally, I think it’s better if you don’t confront me with your needs so directly so that I have as much room for interpretation as possible. That pegs me less. I choose what I want to understand. (Incidentally, this is always the case. And: The clearer I send, the greater the chance that my message will arrive roughly as I wanted it to.) For the sender, this inevitably leads to the fact that he/she is considered a pleasant conversation partner. But „pleasant“ here means that there is no need for action for me as the recipient of the message.
However, as soon as I want orientation (orientation = security), that no longer applies. Everyone who has ever asked himself/herself at work what „management“ actually want has experienced this.
So if you want to act long-term, if you wish not to have to say everything 28 times, then it might make sense to communicate „through the bush“ instead of around it. The good news: You don’t have to become a machine to do this. It’s not about flipping a switch. On or off. It’s about being clear at the crucial moment. There is a dimmer. I promise.
Myth #2: Only men can communicate clearly.
Now this is not something I have ever heard from a man. I only hear this belief from women.
My experience is different. Yes, I also see that our society often makes it easier for men than for women to communicate clearly. I have already briefly described this above in connection with children. At the same time, I repeatedly see men in my communication coachings whose greatest obstacle are they themselves. And it doesn’t matter whether it’s about selling, i.e. talking to customers, communicating with colleagues in the team, or about leadership.
Again and again, it is the unclear communication that leads to difficulties for these men. There are different variants: Sometimes it is the salami tactic, in which is information is revealed slice by slice. Sometimes people argue and explain in umpteen loops out of personal uncertainty until the other one gives up from exhaustion. Sometimes information is withheld alltogether in negotiations because this supposedly strengthens the bargaining power.
An interesting difference between men and women that I observe is that men often think that they are already communicating very clearly. In my opinion, this is because they confuse argumentation with clarity. Women often already know that they are not clear enough. And then because of the various obstructive beliefs on the subject of clear communication and because of the behavior patterns that have been practiced for a long time, understandably have difficulty changing that. The result is the same in both cases: the respective interlocutors do not understand the message.
Just for fun: Imagine a newscaster who isn’t communicating clearly. Who talks around the bush and smiles all the time. That would be very irritating, wouldn’t it? The context is decisive. When she then announces the lottery numbers, she can smile again for a moment. (Even if I personally always find this moment a bit crazy.)
Myth #3: Clear communication is really hard.
Difficult? No. Complex? Definitely. All levels of communication have to fit: the verbal, the vocal, the non-verbal. The verbal level concerns the pure content of the message. What is being said? The vocal level is the one that, among other things, decides on tonality, speaking speed, rhythm and pauses, regardless of the content. How is it said? The importance of the non-verbal level, i.e. body language, is often underestimated. And this is also important in virtual conversations, even if we can only perceive a limited part. Posture also affects voice and breathing, i.e. the vocal level. Body language can be a secret weapon or kryptonite: Either it supports and strengthens our verbal message through congruence – or it destroys it if this congruence is missing. Simply put, the more congruent the verbal, vocal and non-verbal levels, the clearer our message is to others. How well does it all fit together?
Just being clear on the verbal level is not enough. Often we still concentrate very strongly on the content level. At least when we are sending a message. As a recipient, the other two levels are suddenly very important to us. And since the recipient always decides what is perceived, it makes sense that you as the sender do as much as possible for the congruence. So really, clear communication is even easier than the usual, supposedly „friendly“ communication, as long as you find targeted communication easier than 28 loops.
For me, everything depends on how clear I am about my goals before I even start communicating with the outside world:
- What is this really about?
- What are my (maximum 3) core messages?
- What do I want to achieve?
Because, in my experience, this is exactly the first step towards successful, clear communication, I am currently preparing a small „boot camp“ on the subject of goal setting. Maybe that’s interesting for you?
Until next Friday! Stay clear.
Yours, Saskia