Bitte sagt nein!

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Bitte sagt nein!

Frauen können nicht so gut nein sagen. Klischee? Ich bin nicht sicher. Ja und nein. (Huch!) Ich fange nochmal etwas anders an: Meine Beobachtung ist, dass es erwachsenen Menschen oft schwer zu fallen scheint, nein zu sagen, und das erstmal unabhängig vom Geschlecht (bitte seht mir nach, dass ich an dieser Stelle keine Gender-Diskussion aufmache, das würde mich gerade überfordern). Für mich hängen Klarheit und Nein-Sagen-Können sehr eng miteinander zusammen. Das könnt Ihr aus meiner Sicht auf jeden beliebigen Kontext übertragen. Mir geht es hier um den beruflichen.

Und woher kommt nun unsere Schwierigkeit mit dem Nein-Sagen? These Nr. 1: Erwachsene sind er-wachsene Kinder. Als Kinder haben wir in der Regel zunächst wenig Probleme mit dem Nein-Sagen. Bei vielen ist das sogar das erste Wort, dass sie sagen können (These Nr. 2: Vielleicht, weil sie es selbst oft am häufigsten hören.). Dann wird es uns mühsam wieder ab-erzogen, denn nicht immer finden die Großen es passend, wenn wir unsere Bedürfnisse klar äußern (und eben auch das, was wir nicht wollen, zum Beispiel den Brokkoli essen). Ja sagen ist brav. Dafür gibt es Liebe und strahlende Gesichter. Und dann wundern wir uns später, wenn wir es irgendwie nicht schaffen, zur Kollegin nein zu sagen, wenn sie uns ihre Arbeit aufdrückt. Oder die Einladung zu dem Meeting abzulehnen, bei dem unsere Anwesenheit niemandem einen Mehrwert bringt, am wenigsten uns selbst.

Zurück zu meinem heutigen ersten Satz: Fällt es Männern nun wirklich leichter, nein zu sagen? Meine durchaus gewagte These ist, dass es den meisten Männern so ganz generell gesprochen tatsächlich leichter fällt. Liegt für mich wieder an der Sozialisierung. Ein Junge, der nein sagt und somit klar für sich eintritt, beweist Stärke, Mut und Anführer-Qualitäten. Bei einem Mädchen finden wir das oft eher unbequem und eben „männlich“. Also schnell weg damit. Ich kenne das aus meiner eigenen Kindheit. Die Eltern der anderen Mädchen fanden mich anstrengend, weil ich angeblich „immer bestimmen“ wollte. Ich habe dann daraus gelernt, dass es nicht gut ankommt, wenn ich einen klaren Plan habe und ihn verfolge. Mein Sohn hingegen wurde erst neulich von den Erzieherinnen im Kindergarten dafür gelobt, dass er immer so einen klaren Plan habe und genaue Anweisungen an andere gebe. Ich habe innerlich auf den tadelnden Nebensatz gewartet. Der kam aber nicht. Spannend! Und zum Glück!

Jungs haben also vermeintlich erstmal die besseren Chancen, ungestraft nein zu sagen. Gleichzeitig beobachte ich sehr wohl, dass es Männern mindestens genauso schwer fällt wie uns Frauen, nein zu sagen, wenn es um Dinge wie die oben im Beispiel genannte Teilnahme am Meeting geht. Oder um Aufgaben und Projekte, bei denen sie „im Lead“ sind. Da kann es schnell passieren, dass viele Ressourcen, Schweiß und Nerven für tote Pferde draufgehen. Manche nennen das auch Zombie-Projekte: Projekte, die schon lange zu Grabe getragen hätten werden sollen (wow). Kluge Firmen machen übrigens genau das, so richtig mit Zeremonie und Trauerrede. Das Unternehmen Supercell aus Finnland zum Beispiel. Ich habe neulich gerade was Spannendes dazu bei foerster-kreuz.com gelesen. Guckt mal rein, falls Euch das auch interessiert. Generell sehr lesenswert!

Aber zurück zu den Männern, die auch oft nicht nein sagen können: Warum ist das so? Ich persönlich glaube, dass dieselbe Erziehung, die dazu geführt hat, dass Männer sich stark und so weiter fühlen, wenn sie klar sind und nein sagen, ihnen auch eingetrichtert hat, dass sie stets und ständig im Superhelden-Problemlösungs-Modus sein müssen. (Daran sind wir Frauen im übrigen nicht ganz unschuldig.) Und einzugestehen, dass ein Projekt einfach keinen Sinn (mehr) macht, hieße ja gegebenenfalls, eine eigene Schwäche oder gar (*entsetztes Luft-Einziehen*) persönliches Versagen einzugestehen. Mann, es muss echt anstrengend sein für Dich.

Schon an meiner eigenen Wortwahl merkt Ihr, dass auch ich mich von solchen Gedanken nicht frei sprechen kann, denn aus welchem Grund würde ich sonst das Wort „eingestehen“ verwenden? Ich probiere es mal mit einem in diesem Kontext passenderen Begriff. Wie wäre es mit „erkennen“? Klingt doch gleich viel besser. Männlicher. Mächtiger. Stärker. Ich meine das jetzt nicht sarkastisch, falls Ihr das denkt. Ich versuche, dem Erkennen von sinnlosen Tätigkeiten eine neue Bedeutung zu geben. Das Beste daran ist übrigens: Diese Fähigkeit hat jeder von uns zu jeder Zeit! Bedeutung erhalten Dinge nämlich durch uns und unsere Gedanken dazu. Das ist mir so richtig erst am vergangenen Wochenende bewusst geworden. Da saß ich in einem sehr spannenden Modul meiner systemischen Coaching-Weiterbildung zum Thema „systemisch-konstruktivistische Modelle“. Ich stelle im Coaching meinen Klienten oft die Frage „Was bedeutet xy für Dich?“, wenn sie viel über xy sprechen, habe allerdings bisher nicht erkannt, dass ich diese Frage auf ALLES übertragen kann, was ich will. Vielleicht fand ich diesen Gedanken auch einfach erstmal zu groß, denn da kann man schon ganz schön ins Grübeln kommen, wenn man den zulässt. Wird mir jetzt auch gerade wieder zu groß. Da muss ich wohl mal einen gesonderten Artikel drüber schreiben. Oha.

Für mich als Selbständige ist es der reine Wahnsinn, wenn ich mit Freunden, Bekannten und Klienten spreche, die mir davon berichten, wie ihre Tage so aussehen. Wie fremdgesteuert und pausenlos durchgetaktet viele sind. Wann denkt Ihr denn mal? Es ist mir ein Rätsel. Manche definieren sich dann leider auch noch positiv über dieses Busy-busy. Und/oder sie stellen sich als Opfer dar und erzählen, dass sie von 9-18 Uhr ein (Online-)Meeting nach dem nächsten haben und dann von 7-9 und von 18-21 Uhr „ja noch arbeiten müssen“. Und suhlen sich darin, dass die anderen möglichst sowas sagen wie: „Ach, Du Arme, das ist ja wirklich schrecklich! Wie hältst Du das nur aus?“ Für mich persönlich klingt das einfach nur total anstrengend und ineffizient. Und wenig effektiv. Ich glaube einfach nicht, dass wirklich erfolgreiche Menschen sich auf diese Art rumschubsen lassen. Gesund klingt das für mich auch nicht gerade. Da hilft dann auch kein Zeit-Management-Seminar (die helfen übrigens nie). Mehr Selbstführung müsste her.

Am schlimmsten leiden, glaube ich, die Menschen, die eine Führungskraft ihr eigen nennen, die in diesem Busy-busy-Modus unterwegs ist. Erstens wirkt es in diesem Kontext dann schick, sich genauso bekloppt zu verhalten. Zweitens ist keiner mehr da, der den Überblick behält. Das führt fast zwangsläufig zu einer weiteren Anhäufung von Zombie-Projekten. Die Organisation ist nur noch mit sich selbst beschäftigt. (Warte mal, waren da nicht noch irgendwo Kunden? Was wollten die nochmal gleich?) Und das alles nur, weil wir nicht nein sagen. Nein zu Meetings, nein zu Projekten, nein zu Kollegen, nein zu Chefinnen, nein zu Outlook, nein zu Social Media, nein zum Smartphone (Ihr werdet übrigens nicht smarter, je mehr Ihr es in der Hand habt.). Puh. Das klingt erstmal irgendwie hart und rigoros. Ist es auch. Ich für meinen Teil komme in unregelmäßigen Abständen trotz aller Freiheiten meiner Selbständigkeit immer wieder an den Punkt, an dem ich kurz vor einer Panik stehe, weil ich zu viel gleichzeitig mache. Unlängst hatte ich genau deshalb einen Fahrradunfall. Solche Notbremsen meines Körpers sind dann die goldenen Momente der Erleuchtung, in denen ich mich endlich wieder fokussiere und gnadenlos Dinge sein lasse. Ich fänd’s schön, wenn Ihr ohne körperlichen Schaden zum gleichen Ergebnis kämt.

Deshalb habe ich zum Abschluss noch ein paar Tipps für Euch:

  1. Fragt Euch vor jedem Ja: Welche Auswirkungen hätte es für mich, wenn ich zu diesem Meeting/diesem Projekt/diesem Kollegen etc. nein sage?
  2. Welche Auswirkungen hätte es für andere (Kollegen, Chefs, Kunden etc.)?
  3. Macht eine Liste: Welches sind meine aktuellen Projekte/To Dos? (Das geht auch auf Tagesbasis.)
  4. Gut finde ich auch immer, nochmal mit Euren Zielen in Kontakt zu kommen: Was will ich eigentlich erreichen? Passen meine To Dos zu diesen Zielen?
  5. Zu welchen Dingen auf meiner Liste will ich nein sagen? (Meine Faustregel: ein Drittel einfach mal streichen, ein Drittel parken und auf Wiedervorlage setzen, ein Drittel machen. Lieber erstmal zu viel streichen und dann sanft zurückrudern. Wenn am Ende 1 Sache von der Liste fliegt, gut! Wenn es mehr sind, auch gut.)
  6. Ihr habt natürlich gute Gründe für das Nein, die Ihr anderen gegenüber vertreten könnt. „Keinen Bock“ reicht nicht. Meine Empfehlung ist es, nach gründlicher Reflexion über die Auswirkungen mit Eurer Führungskraft ins Gespräch zu gehen. Transparenz ist wichtig, ansonsten fliegt Euch das vielleicht um die Ohren. Und mit ein bisschen Glück und Beharrlichkeit bringt Ihr vielleicht sogar einen wunderbaren Balls ins Rollen, von dem Eure gesamte Organisation profitieren kann.

Unterm Strich kann ich immer dann eine fundierte Entscheidung für oder gegen etwas treffen, wenn ich Klarheit über die jeweiligen Auswirkungen habe. Und für diese Klarheit braucht es Reflexion. Und für die Reflexion braucht es Zeit. Und Zeit habe ich nur, wenn ich sie mir nehme. Und um sie mehr nehmen zu können, muss ich zu anderen Dingen nein sagen. Ganz einfach, oder?

Und einfach nur, weil ich den Kreis schließen und das am Anfang eröffnete Klischee widerlegen möchte: NEIN!

Bis nächsten Freitag. Bleibt klar!

Eure Saskia

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