Die innere Rampensau wachküssen: 7 Tipps fürs freie Sprechen

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Die innere Rampensau wachküssen: 7 Tipps fürs freie Sprechen

Kennt Ihr das? Diesen Moment, bevor Ihr im Meeting die wichtige Präsentation geben müsst? Das Bewerbungsgespräch habt? Vor Leuten sprechen sollt? Den Moment, in dem Ihr Euch ganz weit weg wünscht? Euer Mund trocken wird und Eure Hände feucht? Und Ihr Euch fragt, ob Euer Deo noch wirkt?

Zugegeben, nicht jeder Mensch ist für die Bühne geboren. Das wäre ja auch nahezu unerträglich. Das Problem ist leider, dass jeden Tag viele Menschen gezwungen sind, auf die Bühne zu gehen, obwohl sie sich lieber einen spitzen Gegenstand ins Auge stechen würden. Mit „Bühne“ meine ich jedwede Situation, in der wir vor anderen sprechen. Diese Situationen können in vielerlei Gestalt daherkommen: Wortmeldungen in Meetingräumen, Präsentationen in kleinem oder großem Rahmen oder (brandaktuell) Web-Konferenzen – um nur eine kleine Auswahl an Beispielen zu nennen. Besonders Führungskräfte, wenn auch nicht ausschließlich, finden sich oft in der Position wieder, auf die Bühne zu müssen, ohne wirklich zu wollen. Und wenn Ihr wüsstet, wie oft das Thema in meiner Arbeit ist, wärt Ihr vermutlich ziemlich überrascht. Ist irgendwie ein Tabu-Thema, weil in vielen Köpfen zu einem starken Anführer dazugehört, dass er gern laut brüllt (im übertragenden Sinne natürlich).

Ich selbst höre mich zwar zugegebenermaßen wahnsinnig gern sprechen; allerdings heißt das nicht, dass ich vollkommen angstfrei bin, wenn mich plötzlich alle anstarren. Mein Anspruch ist nämlich, zu jeder Zeit möglichst kompetent und unterhaltsam oder zumindest eins von beidem zu sein. Meine innere Latte hängt verdammt hoch. Das verträgt sich nicht so gut mit Lampenfieber. Trotzdem bringe ich mich selbst immer und immer wieder in Situationen, in denen ich vor Leuten sprechen muss. Kurz davor frage ich mich selbst manchmal: „Warum?! Musste das denn wieder sein? Konntest Du Dich nicht EIN Mal hübsch bescheiden zurückhalten?“ Leider nein. Andere haben einen inneren Schweinehund, ich habe eine innere Rampensau. Und die lebt von Nervenkitzel und Scheinwerferlicht.

Weil mich immer wieder Menschen fragen, wie ich „das“ mache (auf Nachfrage habe ich erfahren, dass sie meinen, wie ich es hinbekomme, mich vor Menschen zu stellen und meistens sehr klar auf den Punkt meine Botschaften zu vermitteln, ohne vorher alles Wort für Wort ausgearbeitet und auf Moderationskarten geschrieben zu haben), habe ich mir mal Gedanken darüber gemacht, die ich heute gern mit Euch teilen möchte. Wichtig: Das sind meine ganz persönlichen Zutaten. Ich sage nicht, dass es die einzig wahren sind.

1. Ich mache nie, niemals „Trockenübungen“. Ich weiß nicht, woher das kommt, aber viele Leute scheinen zu denken, dass man nur gut vor anderen sprechen kann, wenn man vorab jedes Wort auswendig gelernt hat. Ganz ehrlich: Dann könnt Ihr auch gleich alles aufschreiben und ablesen. Der Effekt ist für mich als Zuhörer vergleichbar. Es wirkt steif – und eben auswendig gelernt. Das mag niedlich sein bei 4-jährigen, die dem Weihnachtsmann ein Gedicht aufsagen. Das war‘s.

2. Was ich stattdessen mache? Ich setze mir einen Rahmen. Das heißt konkret: Ich schreibe mir die ersten ein bis drei Sätze auf. Und die letzten ein bis drei. Auswendig lerne ich die trotzdem nicht, denn ich kann aus Erfahrung sagen, dass oft genug unvorhergesehene Dinge passieren, auf die ich spontan eingehen können will. Deshalb merke ich mir nur die grobe Richtung dieser ersten drei bzw. letzten drei Sätze. Das gibt mir Sicherheit. Wenn ich erstmal angefangen habe zu sprechen, kommt der Rest quasi „von allein“. Und das ist tatsächlich nicht nur bei mir so. Vertraut mir.

3. Ich unterstütze diesen Rahmen gern mit einem so genannten „Plan“. Ich habe mal ein spannendes Training bei Bernd Höcker besucht, das „Think on your feet“ heißt. Dort haben wir unter anderem gelernt, in Plänen zu sprechen. Gemeint ist damit, simpel ausgedrückt, mein Thema in ein Erstens, Zweitens und Drittens zu gießen. Ein Beispiel: „Heute geht es um das Thema Frei Sprechen vor Leuten. Ich werde Euch als erstes etwas darüber erzählen, was Ihr gegen Lampenfieber tun könnt (Erstens). Dann werde ich Euch meine fünf besten Tipps zur Vorbereitung verraten (Zweitens). Und zum Schluss möchte ich mit Euch in den Austausch gehen und Eure Fragen beantworten (Drittens).“ Wichtig ist mir dabei, dass es nicht darum geht, die Spannung wegzunehmen. Ich piekse die Themen bewusst nur an. Ziel ist, meine Zuhörer darauf vorzubereiten, was sie erwartet. Ansonsten kann sich das ein bisschen so anfühlen wie ein Meeting ohne Agenda. Grob gesagt folge ich der uralten Regel „Sag, worüber Du sprechen wirst. Sprich drüber. Sag, worüber Du gesprochen hast.“ (Wie durch Magie wieder ein Dreischritt.) Kritiker merken jetzt eventuell an, dass große Redner wie Obama oder (Oh Gott, warum fällt mir jetzt kein anderer ein?!)… Okay. Dass große Redner wie Obama auch nicht ankündigen, worüber sie sprechen werden. Da haben sie recht. Für mich ist der entscheidende Unterschied, dass ich nun mal nicht Obama bin, bei dem bereits der Name Programm ist. So lange Menschen noch nicht Schlange stehen, um Euch sprechen zu hören, kann diese Art der Vorbereitung durchaus sinnvoll sein.

4. Ich schreibe niemals mehr als 3 Worte auf ein PowerPoint-Slide. Wer schon mal einen TedTalk gesehen hat, weiß warum. Wenn nicht: Schaut Euch da dringend mal um. Kleiner Tipp: Wenn auf dem Slide alles steht, was ich sage – wozu bin ich dann da?

5. Ich baue ziemlich am Anfang eine persönliche Anekdote ein, die zum Thema passt. Das macht mich nahbar und bricht das Eis. „Ach, sie ist ja eine von uns.“ Das ist auch einfacher für mich, weil ich die persönliche Anekdote ja selbst erlebt habe und deshalb besonders gut frei erzählen kann. Damit habe ich direkt meinen Start-Rahmen gesetzt. Ist das nicht unprofessionell und zu privat? Nö. Mein Ziel ist doch, die Menschen zu erreichen. Das gelingt mir persönlich nicht so gut, indem ich meine Menschlichkeit hinter einer Maske (no pun intended) verberge. Passt auch zu meinem letzten Artikel über Selbstoffenbarung und Verletzlichkeit.

6. Ich gehe mit den Leuten in Interaktion. Wie? Indem ich Fragen stelle. Meistens klappt es ganz gut, erstmal mit Handzeichen zu arbeiten. Das trauen sich wirklich fast alle. Und dann habe ich wirklich immer jemanden dabei, der noch mehr dazu sagen will. Schon seid Ihr im Dialog. Falls nicht: Nicht schlimm. Den meisten Leuten reichen die Handzeichen, um sich integriert zu fühlen. Die nächste Stufe ist dann, offene Fragen zu stellen, bei denen Ihr nur Schlagwörter zur Antwort hören wollt, die Ihr dann in Euren Vortrag integriert. Ich gebe zu, das ist dann schon etwas höhere Schule. Aber auch kein Hexenwerk.

7. Ich feiere mich innerlich selbst ein bisschen dafür, dass ich da oben/da vorne stehe. Ihr müsst ja nicht gleich stagediven, aber ein wenig innerliches Eigenlob hat selten geschadet.

Würde ich länger nachdenken, könnte ich die Liste vermutlich noch um 28 Punkte erweitern, aber diese sieben sind definitiv diejenigen, die für mich persönlich den größten Unterschied machen. Und klar, Ihr habt gemerkt, dass es vor meinem inneren Auge dabei eher um die „große“ Vortrags-Bühne ging. Allerdings könnt Ihr alle sieben Punkte auch auf andere „bühnenartige“ Situationen übertragen. Okay, vielleicht Nummer 5 nicht unbedingt. Die ist gut, wenn die Leute Euch noch nicht kennen. Immer im Hinterkopf behalten: Was ist Euer Ziel? Stumpf ohne Sinn und Verstand die „7 goldenen Schritte zum erfolgreichen freien Sprechen“ nach Schema F abzuarbeiten ist ganz sicher nicht das, was ich Euch empfehlen möchte. Im Gegenteil. Bitte prüft kritisch für Euch, bei welchen meiner Tipps Ihr Euch wiederfindet – und bei welchen nicht. In letzterem Fall wäre es dann toll, wenn Ihr für Euch direkt eine Alternative findet, die besser zu Euch passt. Und noch besser, wenn Ihr die mit mir teilen mögt.

Ich freue mich drauf, von Euch zu hören!

Bis nächsten Freitag. Bleibt klar.

Eure Saskia

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